Seit dem Noir-Western DIE GEFÜRCHTETEN (Heyne, 2008) ist Tom Franklin ein Begriff für Noir-Fans, denen Cormac McCarthy nicht genügend Lesestoff liefert. Wie Lansdale gelegentlich, beschäftigt sich Franklin in den GEFÜRCHTETEN und im nun bei Pulp-Master vorgelegtem SMONK mit dem Süden der USA kurz vor und nach der Jahrhundertwende. Zu einer Zeit also, als der Slogan „go west young man“ bedeutete, dass die Bestie nach dem Völkermord an den Indianer bereit und willens war, den Rest des Planeten zu zerfleischen. Wie man so was machen kann, zeigt uns E.O.Smonk im Kleinen, indem er das Städtchen Old Texas in Alabama tyrannisiert in Franklins ultrabrutalen, wahnsinnig komischen (Betonung liegt auf wahnsinnig) , erhellenden und erschreckendem Pageturner.
-Martin Compart
Doch anders als Peckinpah erzählt Franklin seine Geschichte nicht als blutige Outlaw-Ballade, sondern als Groteske – bevölkert von religiösen Fanatikern, korrupten Richtern, notgeilen Teenagern und einer Gruppe mörderischer Witwen. Und mittendrin: die 15-jährige Prostituierte Evavangeline, die eigentlich nur irgendwie über die Runden kommen will und mit einem Schild, auf dem „Ficken 1 Dollar“ steht, vor Saloons auf Kundschaft wartet. Doch weil sich ihre Kunden immer wieder umsonst nehmen wollen, was sie doch schon spottbillig anbietet, wird Evavangeline zur Mörderin – und das wieder und wieder. Stoisch wie sie ist und wie sie bei allem Elend, das sie erlebt, ihren Stolz nie verliert, könnte sie eine Vorfahrin von Fay sein, der Heldin aus Larry Browns gleichnamigem Romanklassiker. Beide ziehen das Unglück ähnlich magisch an.
-Marcus Müntefering, Spiegel Online
Wie der Autor Tom Franklin die einzelnen Fäden zusammenhält und am Ende ebenso lakonisch wie logisch zusammenbringt, wie er spannend erzählt und den Leser in Atem hält, das ist schon raffiniert. Franklin hat mit seinem Roman aus dem Jahr 2006, der jetzt erstmals in Deutschland erschienen ist, einen sinisteren Western Noir geschrieben, ein düsteres Epos und zugleich eine Groteske voll schwarzem Humor. Wie hier gehurt und gesoffen, gewütet und gemordet wird, das ist bei allem Naturalismus nicht wirklich, sondern die Beschwörung eines Albtraums, der Blick in einen
Abgrund, in dem das Recht des Stärkeren regiert.
-Michael Stoll, Rhein-Zeitung
„Und es ist diese Mischung aus aufbrechenden Wunden, Urgewalten, gebrochenen Tabus und Witz. Packend und unterhaltsam formuliert, was auch Werk eines guten Übersetzers ist. Franklin selbst hat seine Klassiker gelesen. Dieses Spiel mit Zitaten verleiht dem Roman Tiefe und Eleganz.“
-Katja Bohnet, CulturMag
Als vor 12 Jahren der Heyne-Verlag Tom Franklins Roman Die Gefürchteten herausbrachte, war die Begeisterung groß: In diesem modernen Crossover von Western, Abenteuer- und Kriminalroman wurden die großen Themen der amerikanischen Geschichte intoniert: Gewalt, Rassismus, Landraub, Männlichkeit, Armut. Konsequent wurden Die Gefürchteten 2005 zwei Mal in die damals noch ganz neue Krimibestenliste gewählt.
Einer, der damals aufmerksam wurde, war Frank Nowatzki, Verleger von Pulp Master. Niemals, so schreibt er jetzt im Vorwort, hätte er sich träumen lassen, mit seinen beschränkten finanziellen Mitteln einen New-York-Times- Bestseller-Autor wie Franklin gewinnen zu können. Der zudem, mit seinem – demnächst ebenfalls bei Pulp Master auf Deutsch erscheinenden Roman – Krumme Type, krumme Type (original Crooked Letter, Crooked Letter) in Baden-Württemberg Abiturstoff werden soll.
Jetzt jedenfalls gibt es erst einmal Smonk, das heißeste und dreckigste und großartigste Stück Literatur, dass dem Verfasser dieser Zeilen seit langem in die Hände gefallen ist.
Die Archäobiologen rätseln noch, wie es wohl gelungen sein kann, dass vor (zehn-) tausenden von Jahren bestimmte Krankheitskeime von Tieren auf Menschen übergesprungen sein können. Die Literatur hat es da einfacher.
E.O. Smonk ist das alles in seinem kurzen Leben geschehen. Auf ihm haben alle Keime, Pilze und Infektionen, auch tierische, ihre Wahlheimat gefunden. Er sammelt „Leiden, als wär’s ein gottverdammtes Hobby“: ein Auge wurde ihm ausgepickt, er spuckt Blut, seine Haut ist voller Skrofeln. Diejenigen, die genügend Abstand von ihm haben, diskutieren, ob er der Teufel selbst oder nur eine seiner Ausgeburten sei. Smonk herrscht über Old Texas, einen Haufen von Häusern in Alabama. 1911 soll er vor dem Richter erscheinen. Im Gerichtssaal lauert die männliche Bevölkerung, um ihn zu lynchen. Doch Smonk hat alles vorausgesehen, mit eigener Skrupellosigkeit und zwei Männern an Maschinengewehren vor der Tür nietet er die Hinterhältler um. Sein einziger Verlust: ein Glasauge, das ihm bei einem Anfall von Bluthusten aus der Augenhöhle gesprungen ist.
Eine ebenso irre Figur ist die 15-jährige Hure Evavangeline. Mordend und fickend (1 Dollar pro Schuss) zieht sie von Mobile nordwärts, irgendwann werden Smonk und sie zusammentreffen, zwei Urgewalten aus dem Rough South. Zwischen ihnen eine Gruppe „christlicher Deputies“ mit ihrem Chefchen Phail Walton, Anlass zu Witzen über „Fail Walton“, etliche sehr belesene und sehr kluge Schwarze. Und dann die Geschichte von Old Texas: Warum leben dort nur Witwen – nicht nur nach dem Massaker im Gericht? Das Großartige an dieser geballten Groteske ist, dass sie nie vollständig die Bodenhaftung verliert – ungefähr so, wie die wahnwitzigen Geschichten Ambrose Bierce’s vom Blutdunst des Bürgerkriegs getränkt sind.
Tom Franklin wurde 1963 in eine Arbeiterfamilie in Dickinson, Alabama, geboren, lehrt Creative Writing an der Universität von Mississippi, und gilt als eines der ganz großen Talente der amerikanischen Literatur, auch und gerade, weil er die Bodenhaftung im rauen Süden nicht verloren hat.-Tobias Gohlis, Krimibestenliste
Smonk“ ist ein makabrer Roman, monströs und geschmacklos. Er ist getrieben von einer geradezu rauschhaften und auch ansteckenden Lust an der Grenzverletzung, an versauten Witzen und am Verstoß gegen sprachliche Tabus. Es ist unglaublich, nein sensationell, mit welcher Virtuosität Nikolaus Stingl dieses Ungetüm ins Deutsche übersetzt hat und mit welcher Delikatesse er die verschiedenen Nuancen von brutaler Derbheit und und hochgestochenem Bramarbasieren moduliert. Aber „Smonk“ ist nicht nur sprachlicher Furor, nicht nur Revolte gegen bürgerliche Lesegewohnheiten. Mit all seinen groben Verzerrungen schärft der Roman, zwölf Jahre nach seinem Erscheinen im Original, den Blick für das Groteske der Wirklichkeit.
-Tekla Dannenberg, Perlentaucher
Da wird gleich noch die Gattung des Neo- oder Gothic-Western herzallerliebst durch den Kakao gezogen. Ein furchtbarer Ort namens Old Texas im Niemandsland von Alabama ist 1911 immer noch gebeutelt vom Bürgerkrieg. Damals kamen die Männer abhanden, und aus dem Nest ist eine Art sektiererische Hölle geworden, in der Outlaw-Quasimodo Smonk auf seine alten Tage noch etwas zu erledigen hat respektive vor Gerichtmuss, während ein quasi christliches Einsatzkommando mit einem unglaublich bigotten Anführer eine junge androgyne Hure verfolgt.“
-Joey Schneider, Badische Zeitung
Bei all dem gebotenen Irrsinn sollte man allerdings nicht den Fehler machen, das Ganze als vulgären Schund abzutun. Der Unterhaltungsfaktor von „Smonk“ speist sich nämlich weder aus der gialloesken Gewaltdarstellung, noch aus dem literweise durch die Gegend fliegenden Ejakulat. Der Reiz des Romans liegt im Überraschungsmoment. Tom Franklin hat wie verrückt drauflos geschrieben, und man merkt es jeder einzelnen Szene an. In einem Literaturbetrieb, der sich weitestgehend an Konventionen und Genre-Stereotypen hält, ist diese Anarcho-Nummer von unschätzbarem Wert. Hier wird Spannung nicht durch den emotionalen Psychoterror eines handwerklich versierten Autors verordnet, sondern stellt sich beim Lesen ganz von selbst ein. Denn jeder Satz endet anders, als der Anfang vermuten lässt, und auch nach hunderten von Seiten kann man nicht sagen, was hinter auf der nächsten für Ereignisse lauern. Fliegen gleich Pferde durch die Luft? Steckt sich jemand ein Glasauge in den Mund? Schon möglich. die Ideen werden einem einfach roh vor den Latz geknallt und auch auf sprachlicher Ebene ist kein Buchstabe sicher.
-Der Schneemann
Tom Franklin arbeitet mit den Mitteln der Überzeichnung, gibt dem Grotesken und Bizarren viel Raum und schafft es dabei, sein Personal in all seiner Lächerlichkeit nie dieser preiszugeben. Alle Perversionen dieser Welt als Teil ihrer Alltäglichkeit.
-Jochen König, Krimi Couch
Professor Franklin lässt mit «Smonk» so richtig die Sau raus. «Das Schreiben war wie Masturbieren – es fühlt sich grossartig an, aber gleichzeitig fühlt man sich schuldig», sagt er selbst, «es war zu gewalttätig, es war zu schräg, es wurde zu viel gefurzt und es gab zu viel Sex.» Viel ist dem eigentlich nicht beizufügen. Man kann das mögen oder nicht. Man kann das widerwärtig finden oder witzig. Ich neige klar zu Letzterem.
-Hanspeter Eggenberger, Tagesanzeiger
Tatsächlich ist es aber die sprachliche Artistik Franklins, die aus den schon lange tradierten Motiven und Figuren (korrupte Richter, bigotte Bürgersfrauen, christlich-fanatische Deputies etc.) einen grandiosen Roman macht. Er kreuzt einen archaischen, schon fast biblischen Erzählgestus mit knappsten Lakonismen und Sarkasmen, mit Introspektionen in die krudesten Gedankengänge seiner Figuren und bedient sich auch in der Erzählerrede pausenlos aus „fremden“, z.B. grob rassistischen und sexistischen Sprachebenen, deren Widerwärtigkeit dadurch umso evidenter werden. Auf jeden Fall ist es ein zunächst wunderbar zynischer Clou, dass, so erzählt, das ganze Elend extrem unterhaltend und komisch erscheint, ohne dass – an der Stelle nicht zynisch – der kritische Kern verlorengeht. Das ist eine Operation, die nicht auf Thesen über das Wesen von homo sapiens oder die conditio americana setzt, sondern strikt literarisch verfährt.
-Thomas Wörtche, Deutschlandfunk Kultur
Dennoch darf man nicht glauben, dass sich hier einer einfach einen tarantinoesken Spaß mit dem alten Süden erlaubt. Dazu ist Franklin ein viel zu genauer Kenner seiner Heimat Alabama, seiner Geschichte und seiner Menschen. Noch in seinen schauerlichsten Gestalten scheint stets eine christlich grundierte Empathie auf. „Tatsächlich ist die Bibel eine meiner wichtigsten Inspirationsquellen“, erklärt der gläubige Presbyterianer seinen Hang zum Furor. „Denken Sie nur an Sodom und Gomorrha oder an Samson, der mit einem Eselskiefer tausend Philister erschlägt.“
-Gunter Blank, Rolling Stone
Smonk ist eines der mitreißendsten und zugleich eines der abstoßendsten Bücher des Jahres. Der kleine Roman aus dem Verlag Pulp Master spielt 1911 in Old Texas, einem verwilderten Kaff in Clarke County, Alabama. Der Held Smonk marschiert wie Django in die kinderlose Stadt, hinter den Fensterläden lauern Witwen mit Schießprügeln.
-Tobias Hohlis, Die Zeit